Am 16. August 2011 wurde mit dem Sammeln von Unterschriften für die Volksinitiative «Millionen-Erbschaften besteuern für unsere AHV (Erbschaftssteuerreform)» begonnen. Ziel der Initiative ist die Einführung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer auf Bundesebene, bei gleichzeitiger Aufhebung der kantonalen Gesetze. Die Initiative beinhaltet eine Rückwirkung für Schenkungen auf den 1. Januar 2012. Die Annahme der Volksabstimmung hätte für den von der Initiative betroffenen Personenkreis weitreichende Konsequenzen.
Die Erbschaftssteuer soll auf dem Nachlass natürlicher Personen erhoben werden, die ihren Wohnsitz im Zeitpunkt des Todes in der Schweiz hatten oder bei denen der Erbgang in der Schweiz eröffnet worden ist.
Die Schenkungssteuer soll beim Schenker erhoben werden. Folgende Punkte sind speziell hervorzuheben:
- Fixer Steuersatz von 20%
- Einmaliger Freibetrag von 2 Millionen Franken auf die Summe des Nachlasses und aller steuerpflichtigen Schenkungen
- Freibetrag von CHF 20 000 pro Jahr und Person für Gelegenheitsgeschenke
- Befreiung der Erbschaften und Schenkungen unter Eheleuten bzw. registrierten Partnern
- Schenkungen werden rückwirkend ab 1. Januar 2012 dem Nachlass zugerechnet
- Es ist fraglich, ob die Initiative mit der extensiven Rückwirkung rechtlich gültig ist (die Initianten sprechen von Vorwirkung). Eine rückwirkende Anwendung von Gesetzen ist grundsätzlich möglich, die Rückwirkung muss jedoch zeitlich mässig sein. Die Diskussion ist insofern müssig, als dass der Initiativtext vom Bundesgericht nicht mehr auf seine Verfassungsmässigkeit überprüft werden kann, wenn die Initiative von Volk und Ständen angenommen wurde.
- Sämtliche Vermögensübertragungen, welche im letzten Quartal 2011 vorgenommen wurden, werden von den Steuerbehörden inskünftig mit besonderer Aufmerksamkeit beurteilt werden, unabhängig davon, ob die Erbschaftssteuerinitiative angenommen werden wird oder nicht. Dies kann sich auch auf die Rechtsprechung auswirken. Aufgrund der offensichtlichen Konstellation schwebt quasi der Verdacht der Steuerumgehung über den Übertragungen. Es ist daher sehr ratsam, sich an bewährte Modelle zu halten. Je mehr plausible, nicht-steuerliche Gründe für die konkrete Regelung vorliegen, umso eher kann von der Rechtsbeständigkeit einer Regelung ausgegangen werden.
- Problematisch erscheint vor allem die Vereinbarung einer Rückfallklausel nach Art. 247 OR, wonach die Schenkung bei Scheitern der Initiative entfällt, da dies als steuerbare Schenkung des Beschenkten an den Schenker interpretiert werden kann.
- Es bedarf in jedem Fall der Analyse der konkreten Familien- und Vermögenssituation. Zu denken ist insbesondere auch an die güterrechtlichen Folgen einer vorzeitigen Übertragung.
- Schenkungen und Erbvorbezüge, die heute schon – unabhängig von der Höhe der Zuwendung – eine Steuerbelastung von über 20% auslösen, sind auf nächstes Jahr zu verschieben. Dies gilt je nach Kanton vor allem bei Übertragungen an entferntere Verwandte und Nichtverwandte.
- Bei gemischten Schenkungen ist dem Umstand besondere Beachtung zu schenken, dass – je nach Kanton – ein Unterschiedsbetrag zwischen Schenkung und Gegenleistung bestehen muss. Ansonsten besteht die Gefahr, dass das Rechtsgeschäft der Grundstückgewinnsteuer unterworfen werden könnte.
- In zeitlicher Hinsicht ist Eile angesagt, da die Notariate und Grundbuchämter heute schon überlastet sind.
Die Volksinitiative lautet:
I Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert:
Art. 112 Abs. 3 Bst. abis (neu)
3 Die Versicherung wird finanziert: abis. aus den Erträgen der Erbschafts- und Schenkungssteuer;
Art. 129a (neu) Erbschafts- und Schenkungssteuer
1 Der Bund erhebt eine Erbschafts- und Schenkungssteuer. Die Steuer wird von den Kantonen veranlagt und eingezogen. Zwei Drittel des Ertrages erhält der Ausgleichsfonds der Alters- und Hinterlassenenversicherung, ein Drittel verbleibt den Kantonen.
2 Die Erbschaftssteuer wird auf dem Nachlass von natürlichen Personen erhoben, die ihren Wohnsitz im Zeitpunkt des Todes in der Schweiz hatten oder bei denen der Erbgang in der Schweiz eröffnet worden ist. Die Schenkungssteuer wird beim Schenker oder bei der Schenkerin erhoben.
3 Der Steuersatz beträgt 20 Prozent. Nicht besteuert werden:
a. ein einmaliger Freibetrag von 2 Millionen Franken auf der Summe des Nachlasses und aller steuerpflichtigen Schenkungen;
b. die Teile des Nachlasses und die Schenkungen, die dem Ehegatten, der Ehegattin, dem registrierten Partner oder der registrierten Partnerin zugewendet werden;
c. die Teile des Nachlasses und die Schenkungen, die einer von der Steuer befreiten juristischen Person zugewendet werden;
d. Geschenke von höchstens CHF 20 000 pro Jahr und beschenkte Person.
4 Der Bundesrat passt die Beträge periodisch der Teuerung an.
5 Gehören Unternehmen oder Landwirtschaftsbetriebe zum Nachlass oder zur Schenkung und werden sie von den Erben, Erbinnen oder Beschenkten mindestens zehn Jahre weitergeführt, so gelten für die Besteuerung besondere Ermässigungen, damit ihr Weiterbestand nicht gefährdet wird und die Arbeitsplätze erhalten bleiben.
II Die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung werden wie folgt geändert:
Art. 197 Ziff. 9 (neu)
9. Übergangsbestimmung zu Art. 112 Abs. 3 Bst. abis und Art. 129a (Erbschafts- und Schenkungssteuer)
1 Die Artikel 112 Absatz 3 Buchstabe abis und 129a treten am 1. Januar des zweiten Jahres nach ihrer Annahme als direkt anwendbares Recht in Kraft. Auf den gleichen Zeitpunkt werden die kantonalen Erlasse über die Erbschafts- und Schenkungssteuer aufgehoben. Schenkungen werden rückwirkend ab 1. Januar 2012 dem Nachlass zugerechnet.
2 Der Bundesrat erlässt die Ausführungsvorschriften für die Zeit bis zum Inkrafttreten eines Ausführungsgesetzes. Dabei beachtet er folgende Vorgaben:
a. Der steuerpflichtige Nachlass setzt sich zusammen aus:
- dem Verkehrswert der Aktiven und Passiven im Zeitpunkt des Todes;
- den steuerpflichtigen Schenkungen, die der Erblasser oder die Erblasserin ausgerichtet hat;
- den Vermögenswerten, die zur Umgehung der Steuer in Familienstiftungen, Versicherungen und dergleichen investiert worden sind.
b. Die Schenkungssteuer wird erhoben, sobald der Betrag nach Artikel 129a Absatz 3 Buchstabe a überschritten wird. Bezahlte Schenkungssteuern werden der Erbschaftssteuer angerechnet.
c. Bei Unternehmen wird die Ermässigung nach Artikel 129a Absatz 5 durchgeführt, indem auf dem Gesamtwert der Unternehmen ein Freibetrag gewährt und der Steuersatz auf dem steuerbaren Restwert reduziert wird. Ausserdem kann für höchstens zehn Jahre eine Ratenzahlung bewilligt werden.
d. Bei Landwirtschaftsbetrieben wird die Ermässigung nach Artikel 129a Absatz 5 durchgeführt, indem ihr Wert unberücksichtigt bleibt, sofern sie nach den Vorschriften über das bäuerliche Bodenrecht von den Erben, Erbinnen oder Beschenkten selbst bewirtschaftet werden. Werden sie vor Ablauf der Frist von zehn Jahren aufgegeben oder veräussert, so wird die Steuer anteilmässig nachverlangt.