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Eine Drohung gegenüber Facebook-Freunden kann nicht als «Schreckung der Bevölkerung» bestraft werden. Der Freundes- und Bekanntenkreis im realen oder virtuellen Leben gilt nicht als «Bevölkerung». Darunter sind vielmehr die Bewohner eines bestimmten Gebietes zu verstehen oder die Gesamtheit der Personen, die sich gleichzeitig an einem bestimmten Ort befinden. Das Bundesgericht hebt die Verurteilung eines Mannes durch das Obergericht des Kantons Zürich auf.

Der Betroffene hatte im März 2012 auf seinem Facebook-Profil einen Text gepostet, den die rund 290 Personen mit Freundschaftsstatus einsehen konnten. Er sprach darin diejenigen an, die ihm nicht zum Geburtstag gratuliert hatten und hielt unter anderem fest: (...) Ich vernichte euch alle, ihr werdet es bereuen (...) jetzt kann euch niemand mehr schützen POW!!!!POW!!!!POW!!!! (Original-Post in schweizerdeutscher Mundart). Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte den Mann dafür 2013 wegen versuchter Schreckung der Bevölkerung gemäss Artikel 258 des Strafgesetzbuches (StGB) zu einer teilbedingten Geldstrafe. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde des Mannes gut und hebt das Urteil des Obergerichts auf. Der Tatbestand von Artikel 258 StGB ist nur anwendbar, wenn «die Bevölkerung» in Schrecken versetzt beziehungsweise zu versetzen versucht wird. Unter «Bevölkerung» sind nach allgemeinem Sprachgebrauch zunächst die Gesamtheit der Bewohner eines bestimmten, mehr oder weniger grossen Gebietes zu verstehen. Eine «Bevölkerung» bildet darüber hinaus die Gesamtheit der Personen, die sich eher zufällig und kurzfristig gleichzeitig an einem bestimmten Ort befindet, beispielsweise in einem Kaufhaus, in einem öffentlichen Verkehrsmittel oder in einem Sportstadion. Nicht als «Bevölkerung» angesehen werden kann dagegen der Personenkreis, mit dem jemand über Freundschaft oder Bekanntschaft im realen oder virtuellen Leben verbunden ist, zumal hier der Bezug zu einem bestimmten Ort fehlt. Der Betroffene richtete sich damit nicht an die «Bevölkerung», wenn er die fraglichen Äusserungen an seine rund 290 Facebook-Freunde adressierte und darin im Besonderen diejenigen Freunde ansprach, die ihm nicht zum Geburtstag gratuliert hatten. Nicht zu entscheiden hatte das Bundesgericht die Frage, ob eine Äusserung gegenüber Facebook-Freunden als «öffentlich» oder «privat» zu gelten hat. Der Begriff der «Bevölkerung» ist nicht gleichbedeutend mit demjenigen der «Öffentlichkeit», der unter anderem beim Tatbestand der Rassendiskriminierung massgebend ist. Offen lässt das Bundesgericht, ob die Aussagen im Post objektiv geeignet waren, die Adressaten in Schrecken zu versetzen. Das Obergericht hatte dies zwar bejaht, aber keine Anhaltspunkte dafür gesehen, dass tatsächlich eine grosse Anzahl Personen in Angst und Schrecken versetzt worden wäre, und deshalb einen Versuch angenommen.

Art. 258 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB

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(BGer., 8.04.15 {6B_256 / 2014}, Medienmitteilungen des Schweizerischen Bundesgerichts, 29.04.14, www.bger.ch)

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