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Angestellte der Sozialversicherungen sind nicht verpflichtet, privat erlangtes Wissen um einen unrechtmässigen Leistungsbezug bei der Arbeit einzubringen. Ihr privates Wissen führt nicht zum Erlöschen des Rückforderungsanspruchs gegen die betroffene Person. Das Bundesgericht weist die Beschwerde eines Mannes ab, der trotz Neuvermählung weiter Witwerrente bezogen hat.

Einrichtungen der Sozialversicherung können zu Unrecht bezogene Leistungen von den Empfängern grundsätzlich innert fünf Jahren zurückfordern. Nachdem die Versicherung von der fehlenden Berechtigung der betroffenen Person erfahren hat, erlischt der Anspruch auf Rückerstattung innerhalb eines Jahres (Art. 25 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts, ATSG). Das Bundesgericht hat entschieden, dass sich die Sozialversicherungen dabei nicht anrechnen lassen müssen, wenn ihre Mitarbeiter von einem unrechtmässigen Leistungsbezug im privaten Rahmen erfahren, dieses Wissen bei der Bearbeitung des Falles aber nicht eingebracht haben. Mit seinem Urteil weist das Gericht die Beschwerde eines Mannes aus dem Kanton Bern im Hauptpunkt ab, der nach dem Tod seiner ersten Ehefrau im Jahr 2000 eine Witwerrente bezogen hatte. 2004 heiratete er erneut. Die kantonale AHV-Ausgleichskasse infor­mierte er darüber nicht, weshalb ihm die Witwerrente weiter ausbezahlt wurde. Von der Neuvermählung erfuhr die Ausgleichskasse erst 2011. Sie forderte in der Folge die Rentenleistungen der letzten fünf Jahre zurück. Der Betroffene stellte sich dagegen auf den Standpunkt, dass die Verantwortliche der AHV-Zweigstelle seiner Gemeinde im privaten Rahmen schon vor Längerem von der erneuten Heirat erfahren habe und die einjährige Verwirkungsfrist für die Rückforderung deshalb abgelaufen sei. Laut Gericht haben Versicherte gemäss Art. 31 ATSG die Pflicht, den Sozialversicherungen jede wesentliche Änderung in den für eine Leistung massgebenden Verhältnissen zu melden. Demgegenüber findet sich im Gesetz keine Pflicht für Angestellte der Sozialversicherungen, privat erlangtes Wissen weiterzuleiten oder zu melden. Eine solche Pflicht ergibt sich auch nicht aus der allgemeinen Treuepflicht von Angestellten im öffentlichen Dienst. Ihre Treuepflicht beschränkt sich – gleich wie bei einer privatrechtlichen Anstellung – auf das Arbeitsverhältnis. Eine ausserdienstliche Treuepflicht besteht nur insoweit, als von der betroffenen Person ein Verhalten verlangt wird, welches mit ihrer dienstlichen Stellung vereinbar ist.

Art. 25 und Art. 31 ATSG

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(BGer., 2.09.14 {9C_369/2013}, Medienmitteilun­gen des Schweizerischen Bundesgerichts, 2.09.14, www.bger.ch)

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