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Punktuelle Revisionsdienstleistungen (das heisst Prüfungen bei Gründungen, Umstrukturierungen usw.) orientieren sich auch bei KMU nicht am Konzept der eingeschränkten Revision. Dies führt für KMU-Revisoren zu grossen Herausforderungen. Der folgende Beitrag gewährt einen Überblick über ausgewählte Praxisprobleme von eingeschränkt revidierenden Prüfern und illustriert anhand von konkreten Beispielen Risiken und Fallstricke.

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1. Einleitung
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1.1 Ausgangslage
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Mit Wirkung seit dem 1. Januar 2008 wurde das Revisionsrecht umfassend reformiert. Im Mittelpunkt stand die Schaffung eines zweiteiligenRevisionskonzepts: Die Reform schaffte eine Unterscheidung zwischen der sog. ordentlichen Revision, welche auf grosse Unternehmen ausgerichtet ist, und einer sog. eingeschränkten Revision, welche sich inzwischen als eigentliche «KMU-Revision» etabliert hat. Mit Beschluss des Bundesrats vom 31. August 2011 wurden die für die ordentliche Revisionspflicht massgebenden Schwellenwerte deutlich an­gehoben und dadurch in der Konsequenz der Anwendungsbereich der eingeschränkten Revisionerweitert. Mit dieser Ausdehnung der Bedeutung der eingeschränkten Revision wurde den Bedürfnissen aus der Praxis nach einer praktikablen Revisionsform für mittelgrosse Unternehmen angemessen Rechnung getragen.

Ein weiteres Element prägte diese Reform des Revisionsrechts mit, nämlich die Einführung einer staatlichen Zulassung für die Erbringung von Revisionsdienstleistungen. Für die Durchführung von eingeschränkten Revisionen bedarf es der Zulassung als Revisor. Für die Durchführung von ordentlichen Revisionen ist eine Zulassung als Revisionsexperte beziehungsweise – im Falle von Publikumsgesellschaften – eine Zulassung als staatlich beaufsichtigtes Revisionsunternehmen Voraussetzung.

Allerdings: Die Zulassungspflicht umfasst alle gesetzlich vorgeschriebenen Revisionsdienstleistungen. Dazu gehören nicht nur die periodischen Abschlussprüfungen – sei dies in der Form der ordentlichen Revision oder der eingeschränkten Revision –, sondern die Zulassungspflicht erstreckt sich ebenfalls auf die sog. punktuellen Revisionsdienstleistungen.

Die Differenzierung des Revisionskonzepts, wie sie im Bereich der periodischen Abschlussprüfung – mit der Unterscheidung zwischen einer «strengeren» ordentlichen Revision und einer «liberaleren» eingeschränkten Revision – gilt, greift im Bereich der punktuellen Prüfungen nicht konsequent. Das Instrumentarium der eingeschränkten Revision deckt hier die Anforderungen und Bedürfnisse nicht zureichend ab. Dies stellt die KMU-Revisoren, welche sich im Bereich der periodischen Abschlussprüfungen auf Mandate im Segment der eingeschränkten Revision fokussieren, vor grosse Herausforderungen. Dieser Beitrag geht den zentralen damit verbundenen Fragen in diesem Bereich nach. Die Sachverhalte und Aspekte werden dabei aus der Optik von KMU-Verhältnissen – welche durch den Anwendungsfall der eingeschränkten Revision und häufig auch durch die Inanspruchnahme des Opting-out geprägt sind – beleuchtet und mit konkreten Beispielen untermauert.

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1.2 Grundfragen im Zusammenhang mit punktuellen Prüfungen
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In Punkt 2 werden die wichtigsten Grundlagen und Aspekte im Spannungsverhältnis zwischen eingeschränkter Revision einerseits und punktuellen Prüfungsdienstleistungen andererseits dargestellt. Dabei geht es um die Fragen der Zulassungsart, der Unabhängigkeit, des Prüfungsvorgehens sowie des Prüfungstestats.

In Punkt 3 werden sodann einige Schwerpunkte aus einzelnen Bereichen von punktuellen ­Revisionen herausgegriffen. Im Rahmen dieses Beitrags wird dabei folgende Unterteilung vorgenommen:

  • punktuelle Prüfungen anlässlich von Gründungen, Kapitalveränderungen sowie Liquidationen (Punkt 3.1);
  • punktuelle Prüfungen bei Umstrukturierungen, das heisst bei Fusion, Spaltung und Umwandlung (Punkt 3.2);
  • weitere punktuelle Prüfungen, hier am Beispiel der Aufwertungsprüfung (Art. 670 OR) und der Prüfung der Zwischenbilanzen gemäss Art. 725 OR (Punkt 3.3).
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2. Grundlagen und einzelne Aspekte
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2.1 Zulassungsart
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In Bezug auf die Zulassungsart bestehen in grundsätzlicher Hinsicht Parallelen zwischen den periodischen Abschlussprüfungen und den punktuellen Prüfungen. Allerdings: Gerade im Bereich der KMU, das heisst im Segment der eingeschränkt revisionspflichtigen Gesellschaften, werden diese Parallelen durchbrochen. Es bestehen bedeutende Unterschiede, die der KMU-Revisor zu beachten hat.

Soweit eine punktuelle Prüfung bei einem wirtschaftlich bedeutenden Unternehmen (sowie bei konsolidierungspflichtigen Gesellschaften) durchgeführt wird, muss der Prüfer stets als Revisionsexperte zugelassen sein. Als wirtschaftlich bedeutendes Unternehmen gelten solche, welche zwei der drei relevanten Schwellenwerte gemäss Art. 727 Abs. 1 Ziff. 2 OR (Fr. 20 Mio. Bilanzsumme, Fr. 40 Mio. Umsatz, 250 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt) in zwei aufeinanderfolgenden Jahren überschreiten. Diese Gesellschaften müssen ihre Jahresrechnungen durch einen zugelassenen Revi­sionsexperten ordentlich prüfen lassen. Die Zulassungsart zwischen den periodischen Abschlussprüfungen sowie den punktuellen Prüfungen ist somit kongruent. Das Gleiche gilt sinngemäss auch eine Stufe höher: Publikumsgesellschaften müssen ihre Jahresrechnung gemäss Art. 727b OR durch ein staatlich beaufsichtigtes Revisionsunternehmen prüfen lassen. Analog dazu sind bei Publikumsgesellschaften ebenfalls sämtliche punktuellen Revisionsdienstleistungen durch staatlich beaufsichtigte Revisionsunternehmen zu erbringen.

Während somit bei den Grossunternehmen die Rechtslage zwischen Abschlussprüfungen und punktuellen Prüfungen einheitlich ist, bestehen im KMU-Bereich erhebliche Unterschiede. Die Qualifikation als zugelassener Revisor (analog der Unterstellung dieser Unternehmungen unter den Anwendungsbereich der eingeschränkten Revision) ist bei punktuellen Prüfungen nur partiell vorgesehen, während in einigen Prüfungsgebieten auch bei KMU die Zulassung als Revisionsexperte gefordert ist. Dies ist beispielsweise bei Kapitalherabsetzungen oder bei Umstrukturierungen der Fall.

Wichtig ist deshalb Folgendes: Diese Bereiche beinhalten erhebliche Risiken für Prüfer, welche über eine Zulassung als Revisoren verfügen. Vor Annahme eines Auftrags hat sich der Prüfer stets zu vergewissern, welche Zulassungsart dafür verlangt wird. Führt ein zugelassener Revisor eine Revision durch, welche von Gesetzes wegen einem zugelassenen Revisionsexperten vorbehalten ist, so kann dies nicht nur einen «Gesichtsverlust» gegenüber dem Kunden nach sich ziehen (zum Beispiel, weil der Handelsregistereintrag der geprüften Transaktion scheitert), sondern es drohen gegebenenfalls auch eine zivilrechtliche oder strafrechtliche Verantwortlichkeit und Sanktionen seitens der Revisionsaufsichtsbehörde. Der Revisionsbericht enthält auch bei punktuellen Prüfungen eine explizite Bestätigung, dass der Revisor über die dafür notwendige Zulassung verfügt. Damit liegt eine Falschbeurkundung vor, welche den einwandfreien Leumund des Revisors in Zweifel zieht. Ein einwandfreier Leumund ist jedoch nicht nur Voraussetzung für die Erlangung, sondern auch für die Erhaltung der Zulassung durch die Revisionsaufsichtsbehörde. Fazit: Eine Fahrlässigkeit in diesem Bereich kann fatale Folgen nach sich ziehen.

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2.2 Unabhängigkeit
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Die Unabhängigkeit des Prüfers ist eine zentrale Voraussetzung für ein objektives und unbeeinflusstes Prüfungsurteil (beziehungsweise eine entsprechende Prüfungsaussage im Fall der eingeschränkten Revision). Dies gilt in gleichem Masse sowohl bei den periodischen Abschlussprüfungen als auch bei den punktuellen Prüfungen.

Die gesetzlichen Regelungen zur Unabhängigkeit sind in Art. 728 OR (ordentliche Revision) und in Art. 729 OR (eingeschränkte Revision) verankert. Wichtig ist: Es gelten die gleichen Anforderungen an die Unabhängigkeit sowohl bei der ordentlichen als auch bei der eingeschränkten Revision. Der Gesetzgeber macht für die eingeschränkte Revision lediglich Ausnahmen für das Mitwirken bei der Buchführung und das Erbringen anderer Dienstleistungen (Art. 729 Abs. 2 OR) sowie bei der Rotationspflicht des leitenden Revisors (Art. 730a Abs. 2 OR).

Die dargestellten Lockerungen bezüglich der Unabhängigkeit sind abschliessend. Im Bereich der punktuellen Prüfungen sind keine weiteren Ausnahmen vorgesehen. Der Unabhängigkeit ist somit auch bei der Annahme von punktuellen Prüfungsaufträgen bei KMU grosses Gewicht einzuräumen.

Gemäss den gesetzlichen Vorschriften erstreckt sich das Unabhängigkeitsgebot sowohl auf die innere als auch auf die äussere Unabhängigkeit. Das heisst, die Unabhängigkeit darf weder tatsächlich noch dem Anschein nach beeinträchtigt sein. Verstösse gegen die Unabhängigkeit dem Anschein nach sind nach demselben Massstab zu beurteilen wie Verstösse gegen die tatsächliche Unabhängigkeit. Die Einhaltung der Vorschriften zur Unabhängigkeit ist bei sämtlichen gesetzlich vorgeschriebenen Revisionsdienstleistungen für die Erfüllung der ­Zulassungsvoraussetzung des unbescholtenen Leumunds des Revisors bzw. des Revisions­experten relevant.

Eine erhebliche Brisanz hat bei punktuellen Prüfungen auch die Sicherstellung des Verbots der Selbstprüfung, falls der Prüfer im Rahmen der Transaktion ebenfalls beratend mitwirkt. Dazu folgend ein kurzes Beispiel.

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Beispiel: Beratung im Rahmen einer Sacheinlagegründung
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Ein Treuhänder empfiehlt seinem Kunden, dessen Einzelunternehmen in eine Aktiengesellschaft zu überführen. Das Unternehmen weist ein geringes buchmässiges Kapital auf, verfügt jedoch in verschiedenen Positionen über stille Reserven. Es wird nun geplant, Umbewertungen in der Bilanz vorzunehmen, damit ein genügender Aktivenüberschuss für die Liberierung des Aktienkapitals vorliegt. Der Kunde überlässt den Entscheid, auf welchen Positionen welche Umbewertungen vorgenommen werden, seinem Treuhänder. Er regt lediglich an, dass der steuerplanerische Spielraum sinnvoll ausgeschöpft werden soll.
Die Bilanz nach den getroffenen Umbewertungen bildet nun die Grundlage für die Sacheinlage. Da der Treuhänder den besten Überblick über die Sachlage hat, liefert er dem Notar die für die Vorbereitung der Gründungsdokumente notwendigen Informationen, insbesondere auch die relevanten Hinweise über den Inhalt des Gründungsberichts.
Da vorliegend die neu gegründete Gesellschaft das Opting-out anwenden will, unterstellt der Treuhänder dieses Mandat keiner Risikoanalyse in Bezug auf die Einhaltung der Vorschriften zur Unabhängigkeit.
Schlussfolgerung: Hier besteht ein erhebliches Risiko. Wenn der Treuhänder im vorliegenden Fall für seinen Kunden die Rolle als Gründungsprüfer selber übernehmen sollte, so verletzt er das Verbot der Selbstprüfung. Die Unabhängigkeit ist tatsächlich verletzt. Eine derart enge Begleitung des Gründungsprozesses (wie vorliegend beschrieben) schliesst eine Rolle des Treuhänders als Gründungsprüfer aus.

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2.3 Prüfungsvorgehen
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Das Vorgehen bei punktuellen Prüfungen orien­tiert sich in erster Linie an den individuellen gesetzlichen Grundlagen, welche den jeweiligen Prüfungsauftrag wiedergeben. Ausgangspunkt für das Prüfungsvorgehen bei punktuellen Prüfungen ist damit die Erfassung des Prüfungs­gegenstands sowie des Prüfungsziels, worauf sich der Prüfer auszurichten hat.

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Beispiel 1: Gründungsprüfung
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Im Rahmen einer AG-Gründung wird das Aktienkapital mit Sachwerten liberiert; zudem ist geplant, dass die Gesellschaft nach der Gründung von einem Aktionär eine Liegenschaft übernehmen wird. Es handelt sich ­vorliegend um eine qualifizierte Gründung. Zwecks Vereitelung eines Gründungsschwindels bzw. zum Schutz sowohl der Gesellschaft, der Aktionäre sowie der künftigen Gläubiger müssen die Gründer in einem schriftlichen Bericht Rechenschaft über die Art und den Zustand der Sacheinlagen und der Sachübernahmen sowie über die An­gemessenheit der Bewertung geben (Art. 635 OR).
Art. 635a OR hält nun die Rolle des Gründungsprüfers fest. Gemäss dieser Bestimmung prüft ein zugelassener Revisor den Gründungsbericht und bestätigt, dass dieser vollständig und richtig ist. Damit ist der Prüfungsgegenstand (Gründungsbericht) und der Prüfungsauftrag (Bestätigung der Vollständigkeit und Richtigkeit) klar. Um dieses Prüfungsziel zu erreichen, muss der Gründungsbericht sowohl formell als auch materiell geprüft werden. In formeller Hinsicht ist der Gründungsbericht korrekt, wenn er vollständig ist und alle vom Gesetz vorgeschriebenen Elemente enthält. Bei der materiellen Prüfung ist die Sacheinlagefähigkeit der jeweiligen Posten zu prüfen, und die Werte sind auf ihre Vertretbarkeit hin zu überprüfen.

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Beispiel 2: Prüfung einer Kapital­herabsetzung
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Eine Aktiengesellschaft will ihr Aktienkapital von Fr. 2 000 000 auf Fr. 1 000 000 herab­setzen. Gemäss Art. 732 Abs. 2 OR darf die Gesellschaft einen solchen Beschluss nur fassen, wenn ein zugelassener Revisions­experte in einem Prüfungsbericht bestätigt, dass die Forderungen der Gläubiger trotz der Herabsetzung des Aktienkapitals voll gedeckt sind.
In diesem Fall nennt das Gesetz – anders als bei der Gründung – nicht einen expliziten Prüfungsgegenstand, sondern bezeichnet den Prüfungszweck. Zweck der Prüfung ist ein Nachweis, wonach die Forderungen der Gläubiger auch nach erfolgter Kapitalherabsetzung voll gedeckt sind. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht somit der Gläubigerschutz. Um diese Bestätigung abgeben zu können, muss der Prüfer die Aktiven und Verbindlichkeiten in Bestand und Bewertung – aber auch die «Going-Concern-Prämisse» als Ganzes – prüfen.

Das Konzept der eingeschränkten Revision ist auf die periodische Abschlussprüfung beschränkt und bei punktuellen Prüfungen auch in KMU-Verhältnissen nicht anwendbar. Die Prüfungsansätze sind im Kern grundverschieden. Bei der eingeschränkten Revision sind die Risikoanalyse und die Bestimmung der Wesentlichkeit zentrale Grundlagen für die Prüfungsplanung; dies dient letztlich der Priorisierung von Prüfzielen und der professionell gestützten Einschränkung von Prüfungshandlungen. Demgegenüber muss die punktuelle Revision eine – bezogen auf den jeweiligen Prüfungsauftrag – vollwertige Prüfung sein. Anders ausgedrückt: Die mit dem Konzept der eingeschränkten Revision verbundene tendenziell geringere Prüf­sicherheit wäre bei punktuellen Prüfungen absolut unzureichend.

In Bezug auf die Prüfungshandlungen selber unterscheiden sich die eingeschränkte Revision und die punktuellen Prüfungen nicht wesentlich. Punktuelle Prüfungen umfassen in der Praxis hauptsächlich die kritische Durchsicht und Beurteilung der relevanten Unterlagen sowie die Befragung von Verantwortungsträgern. Es bestehen damit deutliche Parallelen zu einer eingeschränkten Revision, welche gemäss Art. 729a Abs. 2 OR aus analytischen Prüfungshandlungen, Befragungen und angemessenen Detailprüfungen besteht. Allerdings sind – im Gegensatz zur eingeschränkten Revision – bei den punktuellen Prüfungen die erwähnten Handlungen nicht abschliessend.

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2.4 Prüfungstestat
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Eine Prüfung wird mit der Berichterstattung abgeschlossen. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um eine periodische oder um eine punktuelle Prüfung handelt. In Punkt 2.3 wurde dargelegt, dass sich punktuelle Prüfungen nicht am Konzept der eingeschränkten Revision orien­tieren. Dies hat auch Auswirkungen auf die Berichterstattung.

Art. 729a Abs. 1 OR regelt die Aufgaben der Revisionsstelle bei der eingeschränkten Revision: Demnach prüft die Revisionsstelle, ob Sach­verhalte vorliegen, aus denen zu schlies­sen ist, dass die Jahresrechnung sowie (gegebenenfalls) der Antrag über die Verwendung des Bilanzgewinns nicht den gesetzlichen Vorschriften und den Statuten entsprechen. Gestützt auf diese Umschreibung und damit auch Begrenzung von Gegenstand und Umfang der Prüfung mündet der Bericht in einer negativ formulierten Prüfungsaussage, wie diese im «Standard zur Eingeschränkten Revision» in Anhang F verankert ist und vom Berufsstand angewendet wird.

Ein solches Testat wäre bei punktuellen Prüfungen – auch bei eingeschränkt revisionspflichtigen Gesellschaften – unzureichend. Die gesetzlichen Bestimmungen verlangen bei punktuellen Prüfungen jeweils eine «Bestätigung». Anstelle einer negativ formulierten Prüfungsaussage (bei Anwendung der eingeschränkten Revision) tritt deshalb bei den punktuellen Prüfungen ein positiv formuliertes Prüfungsurteil. Während sich die Berichterstattung bei der eingeschränkten Revision nach dem Standard zur Ein­geschränkten Revision richtet, liefert für die ­Berichterstattung bei punktuellen Prüfungen der PS 800 den konzeptionellen Rahmen. Die diesbezüglichen berufsständischen Anforderungen gehen dabei jedoch über die rechtlichen Bestimmungen ­hinaus. So kommt es beispielsweise in der Handelsregisterpraxis im Kern auf die Bestätigung als solche (und nicht auf weitere deklaratorische Berichtsinhalte) an.

Es liegt in der Natur der Sache, dass die Testate im Rahmen von punktuellen Prüfungen ein uneingeschränktes Prüfungsurteil bedingen. Weist der Prüfungsgegenstand Mängel auf, welche nach Auffassung des Revisors zu einem eingeschränkten oder einem negativen Prüfungsurteil führen würden, so wird er dies mit dem Kunden besprechen und ihm aufzeigen, welche Änderungen notwendig sind, um ein uneingeschränktes Urteil abgeben zu können. Findet sich kein Konsens oder bestellt der Prüfkunde beispielsweise einen anderen Prüfer, so ist zu empfehlen, den Auftrag nicht einfach ohne Bericht «abzubrechen», sondern den Bericht mit der erforderlichen Einschränkung oder dem notwendigen negativen Urteil abzugeben. Mit einem solchen Vorgehen wird mindestens die pflichtgemässe Auftragsdurchführung dokumentiert.

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3. Fragen aus der Praxis
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3.1 Punktuelle Prüfungen anlässlich von Gründungen, Kapitalveränderungen sowie Liquidationen
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Im Rahmen der betreffenden Tatbestände sind lediglich anlässlich von einfachen Gründungen beziehungsweise Kapitalerhöhungen (das heisst Barliberierung unter voller Wahrung der Bezugsrechte), in einem Sonderfall bei Kapitalherabsetzungen (nämlich bei gleichzeitiger ­Kapitalerhöhung im gleichen Ausmass) sowie anlässlich einer Liquidation (ohne Verfahrensverkürzung) keine punktuellen Prüfungen vorgesehen. In allen anderen Fällen sind punk­tuelle Revisionsdienstleistungen gefordert. Es handelt sich zusammengefasst um die folgenden Vorgänge:

  • qualifizierte Gründungen (Sacheinlagen, beabsichtigte Sachübernahmen, Verrechnungsliberierung, Gewährung von Gründervorteilen);
  • qualifizierte Kapitalerhöhungen (Vorgänge analog den qualifizierten Gründungen; zusätzlich die Tatbestände Kapitalerhöhung aus eigenen Mitteln sowie Einschränkung oder Aufhebung der Bezugsrechte);
  • Kapitalherabsetzungen (jegliche Form, vorbehaltlich des Sonderfalls der gleichzeitigen Kapitalerhöhung im gleichen Ausmass);
  • vorzeitige Verteilung des Liquidationserlöses.

In den vorliegenden Fällen – wie im Übrigen auch bei den Tatbeständen gemäss Punkt 3.2 nachstehend – spielt das Handelsregisterrecht und die entsprechende Praxis eine erhebliche Rolle. Grundvoraussetzung für eine hohe Qualität der Prüfungsdienstleistung ist deshalb, dass der Revisor auch vertiefte Kenntnisse in diesem Bereich mitbringt.

Die Handelsregisterverordnung (HRegV) sieht vor, dass das Handelsregisteramt vor der Vornahme einer Eintragung prüfen muss, ob die rechtlichen Voraussetzungen dazu erfüllt sind (sog. Kognitionspflicht). Insbesondere muss das Handelsregisteramt prüfen, ob die Anmeldung und die Belege den von Gesetz und Verordnung verlangten Inhalt aufweisen und keinen ­zwingenden Vorschriften widersprechen (Art. 28 HRegV). In formeller Hinsicht ist diese Kognitionspflicht unbeschränkt. In materieller Hinsicht ist die Kognition des Handelsregisters beschränkt. Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die Einhaltung jener zwingenden Gesetzesbestimmungen zu gewährleisten, die im öffentlichen Interesse oder zum Schutze Dritter aufgestellt sind. Da die punk­tuellen Revisionsdienstleistungen in den vorliegenden Fällen typischerweise zu den Gläubiger­schutzbestimmungen gehören, sind diese für die Kognition von erheblicher Bedeutung. Dazu zur Illustration ein kurzes Beispiel.

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Beispiel: Funktion der Prüfungs­bestätigung
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Anlässlich einer Sacheinlageprüfung bei der Gründung einer Aktiengesellschaft prüft ein zugelassener Revisor den Gründungsbericht. Nur wenn der Revisor ohne Einschränkung die Vollständigkeit und Richtigkeit bestätigt, wird der Handelsregistereintrag erfolgen. Anders ausgedrückt: Die Prüfungsbestätigung dient dem Handelsregister als klare, nicht auslegungsbedürftige Entscheidungsgrundlage für den anstehenden Handelsregistereintrag.

Die Grundhaltung des Prüfers ist tendenziell von einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise geprägt. In der Handelsregisterpraxis dominiert jedoch die juristische Betrachtungsweise. Es ist deshalb von hoher Bedeutung, dass der Revisor die Auslegung der Handelsregisterämter kennt und diese im Interesse der Kunden als zwingende Rahmenbedingungen in seinen Prüfungsauftrag einbezieht, auch wenn er persönlich eine andere Auffassung hat.

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Beispiel: Prüfung Liberierung des Aktienkapitals
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Ein Einzelunternehmen soll in eine Aktien­gesellschaft überführt werden. Die Aktiven betragen zu Buchwerten Fr. 500 000 und das Fremdkapital beträgt Fr. 400 000. Aus dem (buchmässigen) Aktivenüberschuss von Fr. 100 000 soll das Aktienkapital liberiert werden.
Das Einzelunternehmen hat auch die Fahrzeuge in Leasing bilanziert. Im letzten Jahr wurden Leasingverträge im Barwert von Fr. 100 000 in die Bilanz aufgenommen (Buchung: Fahrzeuge in Leasing / Fremdkapital). Im gleichen Jahr wurden Fr. 20 000 Leasing­raten fällig (Buchung: Fremdkapital / Liquide Mittel). Die Fahrzeuge wurden zudem mit 50 % bzw. Fr. 50 000 abgeschrieben (Buchung: Abschreibung / Fahrzeuge in Leasing), obschon effektiv von einer Nutzungsdauer von 5 Jahren und somit von betriebsnotwendigen Abschreibungen von Fr. 20 000 ausgegangen wird.
Im Rahmen der Gründungsprüfung prüft der Revisor, ob das Aktienkapital vollständig liberiert wird. In wirtschaftlicher Hinsicht ist dies hier zweifellos der Fall. Der Aktivenüberschuss beträgt Fr. 100 000. Die Bilanzierung der Leasingverhältnisse führt sogar zu einer verdeckten Kapitaleinlage (nämlich im Umfang von Fr. 30 000). Trotzdem wird der Prüfer keine positive Prüfbestätigung abgeben, da sich die Handelsregisterpraxis nicht am Aktivenüberschuss als Ganzes orientiert. Vielmehr wird die Sacheinlagefähigkeit jeder Position als Einzelnes vorausgesetzt, was bei ­geleasten Gegenständen an den fehlenden Kriterien Verfügbarkeit und Übertragbarkeit scheitert. Im Rahmen seiner Prüfung macht der Revisor somit den Kunden auf diesen Mangel aufmerksam. Unter Beachtung des Unabhängigkeitsgebots kann der Revisor seinem Kunden auch Vorschläge unterbreiten, wie der Mangel zu beseitigen ist.

Für die Gewährleistung einer hohen Prüfungsqualität braucht der Prüfer deshalb in solchen Fällen auch gute Kenntnisse der Handelsregisterpraxis. So muss er beispielsweise in Bezug auf Sacheinlagen anlässlich von Gründungen oder Kapitalerhöhungen die «kritischen» Bilanzpositionen kennen. Kritisch bedeutet, dass diese Bilanzpositionen als nicht sacheinlage­fähig gelten oder die Positionen zumindest im Gründungs- oder Kapitalerhöhungsbericht mit vertiefteren Ausführungen untermauert sein müssen. Zu solchen «kritischen» Posten gehören beispielsweise (ausser dem vorerwähnten Beispiel der aktivierten Leasing-Güter) die folgenden Bilanzpositionen:

  • Goodwill
  • Rechnungsabgrenzungen
  • Angefangene Arbeiten
  • Gründungs- und Organisationskosten
  • Feste Einrichtungen
  • Einrichtungen in Mietobjekten
  • Forschungs- und Entwicklungskosten

In solchen Fällen lohnt es sich gegebenenfalls, eine Vorprüfung durchführen zu lassen. Diesen Handlungsbedarf zu erkennen und dem Kunden zu empfehlen, kann auch zu einer kompetenten Erfüllung des Prüfungsauftrags gehören.

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3.2 Prüfungen bei Umstrukturierungen
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Während die Vorgänge Gründung, Kapitalveränderungen und Liquidation (Punkt 3.1 vorstehend) im Obligationenrecht (OR) verankert sind, werden die privatrechtlichen Aspekte anlässlich der Anpassung von rechtlichen Strukturen (Umstrukturierungen) in einem Spezialgesetz geregelt: Das Fusionsgesetz (FusG) sieht dabei drei Umstrukturierungstatbestände vor, nämlich Fusion, Spaltung und Umwandlung. Im Weiteren regelt das FusG ebenfalls das In­stitut der Vermögensübertragung, was im Zusammenhang mit punktuellen Prüfungsdienstleistungen jedoch eine geringere Relevanz hat.

Das FusG sieht bei den Umstrukturierungstatbeständen eine wichtige Rolle für die Prüfer vor. Im Unterschied zu den Tatbeständen gemäss Punkt 3.1 vorstehend steht bei den punktuellen Prüfungsdienstleistungen bei Fusion, Spaltung und Umwandlung nicht der Gläubigerschutz im Vordergrund. Vielmehr ist der Prüfungsauftrag deutlich weiter gefasst und setzt insbesondere den Gesellschafterschutz in den Fokus. Der konkrete Prüfungsauftrag ist in Art. 15 Abs. 4 FusG verankert. Demnach hat sich der Prüfer – im Falle der Fusion – in einem schriftlichen Bericht über folgende Punkte zu äus­sern:

  • ob die vorgesehene Kapitalerhöhung der übernehmenden Gesellschaft zur Wahrung der Rechte der Gesellschafterinnen und Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft genügt;
  • ob das Umtauschverhältnis für Anteile beziehungsweise die Abfindung vertretbar ist;
  • nach welcher Methode das Umtauschverhältnis bestimmt worden ist und aus welchen Gründen die angewandte Methode angemessen ist;
  • welche relative Bedeutung gegebenenfalls verschiedenen angewendeten Methoden für die Bestimmung des Umtauschverhältnisses beigemessen wurde;
  • welche Besonderheiten bei der Bewertung der Anteile im Hinblick auf die Festsetzung des Umtauschverhältnisses zu beachten waren.

Sinngemäss und mit Rückverweis auf die Fu­sionsprüfung ist auch die Spaltungsprüfung (Art. 40 FusG) geregelt. Die Umwandlungsprüfung ist separat in Art. 62 FusG geregelt: Hier ist kein Katalog mit einzelnen Prüfpunkten gefordert, sondern in Art. 62 Abs. 4 FusG ist nur das Prüfungsziel definiert. Demnach muss der Revisionsexperte prüfen, ob die Voraussetzungen für die Umwandlung erfüllt sind, insbesondere ob die Rechtsstellung der Gesellschafter nach der Umwandlung gewahrt bleibt.

Diese punktuellen Prüfungen bei Umstruktu­rierungen unterscheiden sich grundsätzlich von den punktuellen OR-Prüfungen gemäss Punkt 3.1 vorstehend. Verlangt ist nicht ein kurzer Bestätigungsvermerk, sondern ein inhaltlich umfassender Bericht, welcher unter anderem auch dazu dient, die Rechtsstellung von Minderheitsgesellschaftern zu wahren beziehungsweise zu stärken.

In KMU-Verhältnissen ist die Konstellation jedoch meistens so, dass einfache und überschaubare Gesellschafterverhältnisse vorliegen. Entweder bestehen gar keine Minderheitsbe­teiligte, deren Rechte besonders zu schützen wären, oder die Minderheitsbeteiligten werden unbürokratisch in angemessener Weise in den Umstrukturierungsprozess einbezogen. Damit sind die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Verfahrens­erleichterungen vorhanden.

Sofern sämtliche Gesellschafter zustimmen, können kleine und mittlere Unternehmen (KMU) im Fusions-, Spaltungs- und Umwandlungsverfahren auf gewisse Erfordernisse eines ordentlichen Verfahrens verzichten: Zu dieser Verzichtsmöglichkeit gehört auch die Prüfung (das heisst die Fusions-, Spaltungs- oder Umwandlungsprüfung). Der Begriff KMU ist gleich definiert wie im Revisionsrecht: Wenn ein Unternehmen aufgrund der Schwellenwertdefinition nicht der ordentlichen Revision untersteht, so handelt es sich auch um ein KMU im Sinne des Fusionsgesetzes (Art. 2 lit. e FusG).

Da die Inanspruchnahme der dargestellten Erleichterungen der typische Fall in KMU-Ver­hältnissen ist, sind die eigentlichen Fusions-, Umwandlungs- und Spaltungsprüfungen bei eingeschränkt revidierenden KMU-Prüfern nicht sehr verbreitet. Trotzdem haben KMU-Revisoren auch in solchen Umstrukturierungen punktuelle Prüfungsaufträge zu erfüllen. Wir unterscheiden dabei die drei folgenden typischen Tatbestände, welche nachstehend kurz illustriert werden:

  • punktuelle Prüfungen aufgrund der ersatzweisen Anwendung der Gründungs- und Kapitalerhöhungsbestimmungen gemäss OR;
  • Prüfung der Umstrukturierungsbilanzen als solche;
  • punktuelle Prüfungen im Hinblick auf den Gläubigerschutz.

Sofern die Verfahrenserleichterungen gemäss dem FusG in Anspruch genommen werden, verlangt die Handelsregisterpraxis alternativ die Einhaltung der Vorschriften zur Gründung oder Kapitalerhöhung. In diesem Fall entsprechen die punktuellen Prüfungen somit jenen gemäss Punkt 3.1 vorstehend. Dazu ein Beispiel.

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Beispiel: Umwandlung gemäss FusG mit KMU-Erleichterung
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Eine Kollektivgesellschaft soll in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden. Für die Umwandlung sieht das Gesetz die folgenden Verfahrensschritte vor:

1) Umwandlungsplan
2) Umwandlungsbericht
3) Einsichtsverfahren
4) Umwandlungsprüfung
5) Umwandlungsbeschluss
6) Eintragung im Handelsregister

Es handelt sich um ein KMU, welches sämtliche Verfahrenserleichterungen in Anspruch nehmen will. Diese Verfahrenserleichterungen lassen einen Verzicht auf die Schritte 2 (Umwandlungsbericht), 3 (Einsichtsverfahren) sowie 4 (Umwandlungsprüfung) zu.
Ohne weitere Massnahmen wäre nun die Einhaltung der für die Errichtung einer Aktiengesellschaft notwendigen Vorschriften nicht mehr sichergestellt. Die Handelsregisterpraxis verlangt deshalb in diesen Sachverhalten «lückenfüllend» die Einhaltung der Vorschriften über die Gründung und Kapitalerhöhung; das heisst, die Sacheinlagevorschriften gemäss OR sind sinngemäss anwendbar. Das oberste Leitungs- oder Verwaltungsorgan muss in diesem Fall einen «Gründungsbericht» (analog Art. 635 OR) erstellen. Damit wird verhindert, dass der Rechtsformwechsel weniger strengen Anforderungen als die Gründung der Ziel-Rechtsform untersteht.

Hinsichtlich der Erstellung von Bilanzen im Rahmen von Umstrukturierungen bestehen differenzierte Vorschriften je nach Umstrukturierungsform. Auch bei Anwendung des Verzichts auf Prüfung aufgrund der KMU-Vereinfachung muss die Bilanz jedoch gegebenenfalls nach Massgabe der jeweiligen gesetzlichen oder statutarischen Revisionspflicht geprüft sein. Ohne gesetzliche beziehungsweise statutarische Revisionspflicht genügen auch ungeprüfte Bilanzen.

Im Weiteren sieht das Fusionsgesetz ebenfalls auf den Gläubigerschutz ausgerichtete punk­tuelle Prüfungen vor. In diese Kategorie fallen die folgenden Fälle:

  • Prüfungen betreffend Verzicht auf das Gläubiger-Sicherstellungsverfahren
  • Prüfung Zulässigkeit der Fusion im Falle von Art. 725 OR

Diese Prüfungen sind im gegebenen Fall auch durchzuführen, wenn im Rahmen der Anwendung der KMU-Erleichterung auf die Prüfung verzichtet wird.

Die Prüfungen gemäss Fusionsgesetz bedürfen – abgesehen von wenigen Sonderfällen – der Zulassung als Revisionsexperte. In diesem Bereich gehen die Anforderungen bei eingeschränkt revisionspflichtigen Gesellschaften folglich weiter als bei der periodischen Abschlussprüfung.

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3.3 Weitere OR-Prüfungen
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Ausser den Tatbeständen gemäss Punkt 3.1 vorstehend, welche die rechtliche Struktur der Unternehmen zum Gegenstand haben, sieht das Obligationenrecht weitere Fälle für punk­tuelle Prüfungen vor. Die in der Praxis wohl häufigsten Anwendungsfälle sind einerseits die Aufwertungsprüfung (gemäss Art. 670 OR) und andererseits die Prüfung der Zwischenbilanz(en) gemäss Art. 725 OR. Diese beiden Fälle werden anschliessend kurz beleuchtet.

Sofern die betroffene Gesellschaft eine Revi­sionsstelle bestellt hat, dürfte es den Regelfall darstellen, dass diese punktuellen Prüfungen durch die Revisionsstelle vorgenommen werden. Allerdings ist dies nicht zwingend, es kann auch ein anderer zugelassener Revisor beauftragt werden.

Etwas vertiefter zu betrachten ist der Sachverhalt, falls die Gesellschaft das Opting-out angewendet hat. Dazu wiederum ein kurzes Beispiel.

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Beispiel: Aufwertungsprüfung
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Eine Aktiengesellschaft (mit 8 Vollzeitstellen) hat das Opting-out angewendet. Der Treuhänder besorgt sowohl die Buchführung als auch den Jahresabschluss. Die Gesellschaft erlitt erhebliche Verluste und im Jahresabschluss wird nun der Tatbestand des Kapitalverlusts gemäss Art. 725 Abs. 1 OR ausgewiesen. Es handelt sich lediglich um eine buchmässige Unterbilanz, da die Gesellschaft über substanzielle stille (Zwangs-)Reserven verfügt. Diese stillen Reserven sind durch externe Bewertungsgutachten nachgewiesen.
Um den Tatbestand des Kapitalverlusts und die damit verbundenen (im vorliegenden Fall unnötigen) Rechtsfolgen zu beseitigen, empfiehlt der Treuhänder seinem Kunden, eine Aufwertung im Sinne von Art. 670 OR vorzunehmen. Bei diesem Vorgang muss gemäss Art. 670 Abs. 2 OR ein zugelassener Revisor bestätigen, dass die gesetzlichen Vorschriften eingehalten werden. Da der Treuhänder über die Zulassung als Revisor verfügt, möchte der Kunde ihn mit dieser Bestätigung beauftragen.
Lösungsvorschlag: Der Treuhänder hat – analog dem Vorgehen bei einem Revisionsmandat – vor Annahme des Auftrags zu prüfen, ob nicht Ausschlussgründe vorliegen. Dies hängt bei den punktuellen Prüfungen vom gesetzlichen Prüfungsauftrag ab. Gemäss Art. 670 Abs. 2 OR hat der Revisor zu bestätigen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Dies erschöpft sich nicht nur in der Prüfung der Einhaltung der Bewertungsvorschriften (das heisst: Prüfung, dass keine Überbewertung vorliegt), sondern erstreckt sich auch auf weitere Punkte (Prüfung Bewertungsobergrenze im Hinblick auf die Wiederherstellung der Kapitalsituation, gesonderter Ausweis der Aufwertungsreserve, Angabe im Anhang). Bei den erwähnten Prüfpunkten besteht für den Treuhänder mutmasslich das Risiko der Selbstprüfung. Er hat deshalb personelle und organisatorische Massnahmen zu treffen, um diese Risiken zu vermeiden. Er muss zudem sicherstellen, dass damit auch der Anschein der Selbstprüfung gebrochen werden kann. Wenn all dies nicht möglich ist, so ist die Aufwertungsprüfung durch einen anderen zugelassenen Revisor auszuführen.

Bei begründeter Besorgnis betreffend Überschuldung muss gemäss Art. 725 Abs. 2 OR eine Zwischenbilanz zu Fortführungswerten und / oder Liquidationswerten erstellt werden. Diese Zwischenbilanzen unterstehen ebenfalls der punktuellen Prüfungspflicht. Diese geprüften Zwischenbilanzen erfüllen entweder eine Funktion als Grundlage für die Benachrichtigung des Richters oder als eine Legitimation, von einer Benachrichtigung abzusehen, falls die Zwischenbilanzen die Überschuldung nicht ausweisen oder eine Überschuldung durch Rangrücktritte abgedeckt ist.

Es geht bei der Prüfung der Zwischenbilanzen gemäss Art. 725 OR nicht um eine integrale Prüfung sämtlicher relevanten Rechnungs­legungsvorschriften, sondern lediglich um das Prüfungsziel «Feststellung des Vorliegens oder Nicht-Vorliegens der Überschuldung». Damit greift auch in diesen Fällen das Konzept der eingeschränkten Revision nicht. Die Grundlage für den Prüfer ist vielmehr PS 290. Hervor­zuheben ist der Umstand, dass der PS 290 in klaren Fällen (was gerade bei KMU häufig ist) flexible Vereinfachungen vorsieht. Ein vereinfachtes Verfahren ist unter folgenden Voraussetzungen möglich:

  • Eine Sanierung und Fortführung der Gesellschaft ist möglich und beabsichtigt und die Überschuldung zu Fortführungswerten ist unbestrittenermassen kleiner als diejenige zu Veräusserungswerten (PS 290 Y) oder
  • die Überschuldung ist offensichtlich und erheblich, Verwaltungsrat und Revisor sind sich darin einig und eine kurzfristige Sanierung und Weiterführung der Gesellschaft ist weder möglich noch beabsichtigt (PS 290 X).

Selbstredend muss die Revisionsstelle Mandate im Bereich von Art. 725 OR besonders konsequent begleiten. Allerdings: Eine erhöhte ­kritische Grundhaltung und Begleitung ist vom KMU-Treuhänder auch dann gefordert, wenn der Kunde beispielsweise das Opting-out anwendet und der Treuhänder somit nicht in der Verantwortung als Revisionsstelle steht. Es gehört in jedem Fall zu einer einwandfreien Beratungsqualität, den Kunden auf die Vorschriften des Art. 725 OR aufmerksam zu machen. Im gegebenen Fall entsteht deshalb in der Konsequenz auch eine gewisse «moralische» Pflicht, den Auftrag zur Prüfung der Zwischenbilanzen anzunehmen. In dieser Konstellation muss sich der Treuhänder jedoch einer spezifischen Ri­sikosituation bewusst sein: Im Falle einer verschleppten Bilanzdeponierung durch den Verwaltungsrat hat der Überschuldungsprüfer die gleichen Anzeigepflichten wie die Revisions­stelle, falls kein Opting-out bestehen würde. Zwecks Minimierung der Haftungsrisiken muss deshalb bei Annahme eines solchen punktuellen Prüfungsauftrags das Mandat genau gleich überwacht werden, wie wenn das Amt als Revisionsstelle angenommen und im Handelsregister eingetragen worden wäre.

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4. Schlussfolgerungen
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Das Feld der punktuellen Revisionsdienstleistungen ist vielschichtig und anspruchsvoll. Wie dargelegt, drohen die unterschiedlichsten Risiken und Stolpersteine. Allein ein hohes Fachwissen in Verbindung mit entsprechender ­Praxiserfahrung bietet dem KMU-Revisor Gewähr für adäquate Prüfungsdienstleistungen. Durch das Schweizerische Institut für die Eingeschränkte Revision von TREUHAND|SUISSE werden die Berufsangehörigen auf vielfältige Weise darin unterstützt.

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Schweizerisches Institut für die Eingeschränkte Revision (SIFER)
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Das Schweizerische Institut für die Ein­geschränkte Revision (SIFER) von TREUHAND|SUISSE wurde 2011 gegründet. Es behandelt hauptsächlich Themen aus dem Rechnungslegungs- und Revi­sionsrecht des Schweizerischen Obligationenrechts (OR). Es versteht sich als Dienstleister für Treuhänderinnen und Treuhänder und für Fachkräfte aus dem Wirtschaftsprüfungsbereich. Seine Schwergewichte liegen einerseits in der Aus- und Weiterbildung dieser Fachpersonen und andererseits in der aktiven Bewirtschaftung politischer Positionen.

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