Issue
Category
Authors
Lead

Eigenmietwertbesteuerung und Wohneigentumsförderung sind beliebte Themen sowohl am Stammtisch wie auch in den Studierstuben. Ein Rückblick zeigt die zahlreichen Versuche, die bisher zur Reform unternommen wurden. Was nach zahllosen Sitzungen und trotz umfangreicher Literatur an Neuem bisher übrig bleibt, ist bescheiden.

Content
Title
1. Vorgeschichte zur Wohneigentumsbesteuerung
Level
2
Text

Das Prinzip der Besteuerung des Eigenmietwertes für selbst bewohntes Wohneigentum besteht seit Urzeiten, wurde es doch bereits im Wehrsteuerbeschluss von 1940 geregelt. Quasi selbstverständlich wurde es 1990 in das Steuerharmonisierungsgesetz übernommen.1 Den Kantonen und dem Bund ist somit die Besteue­rung des Eigenmietwertes vorgeschrieben, hinsichtlich der Festsetzung der Eigenmietwerte verbleibt ihnen jedoch ein grosser Spielraum. Dies hat zur Folge, dass zwischen den Kantonen ganz unterschiedliche Besteuerungssysteme mit sehr unterschiedlicher Steuerbelastung bestehen. Anstoss zur Infragestellung der ­Eigenmietwertbesteuerung gab die 1999 abgelehnte Volksinitiative «Wohneigentum für alle», welche eine vermehrte Förderung und Erhaltung des selbst genutzten Wohneigentums verlangte.2 Eine vom Bundesrat eingesetzte Expertenkommission schlug im Jahre 2000 einen vollständigen, konsequenten Systemwechsel mit der Abschaffung des Eigenmietwertes und der Aufhebung des Schuldzinsen- und Unterhaltsabzuges vor.3 In der Folge schnürte das Parlament im Juni 2003 ein umfassendes Steuer­paket, welches neben familienpolitischen Themen auch die Abschaffung des Eigenmietwertes vorsah. Als Gegenstück zur Abschaffung war bei selbst bewohnten Liegenschaften ein begrenzter Schuldzinsenabzug für Neuerwerber und beim Unterhaltsabzug ein Selbstbehalt von 4000 Franken vorgesehen.4 Das Steuerpaket wurde am 16. Mai 2004 von Volk und Ständen deutlich abgelehnt, nicht zuletzt wegen der ­umstrittenen Wohneigentumsbesteuerung. Das abgelehnte Steuerpaket sah zudem die Möglichkeit des steuerlich begünstigten Bausparens vor, ein Modell, das im Kanton Basel-Land ­bereits eingeführt worden war.

Title
2. Entwicklung der letzten Jahre
Level
2
Text

Als Reaktion auf die Ablehnung des Steuerpaketes im Jahre 2004 reichte der Schweizerische Hauseigentümerverband (HEV) im Januar 2009 zwei Volksinitiativen ein, welche zwei der abgelehnten Postulate (Abschaffung Eigenmietwert und Bausparen) wieder aufnehmen wollen. Die Volksinitiative «Sicheres Wohnen im Alter» möchte Wohneigentümern im AHV-Alter ein einmaliges, unwiderrufliches Wahlrecht zugestehen, den Eigenmietwert nicht mehr zu versteuern. Im Gegenzug wären die mit dem Wohneigentum verbundenen Schuldzinsen nicht mehr abziehbar. Hingegen sollen die jährlichen Unterhaltskosten bis zu einem Höchstbetrag von 4000 Franken und die Kosten für Massnahmen, die dem Energiesparen, dem Umweltschutz und der Denkmalpflege dienen, vollumfänglich abzugsberechtigt bleiben.

Der Bundesrat sprach sich mit der Begründung gegen die Volksinitiative aus, dass die Vorlage zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung zwischen Rentnern und übrigen Steuerpflichtigen führe. Im Sinne eines indirekten Gegenvorschlages schlug er die vollständige Abschaffung des Eigenmietwertes vor. Nach Durchführung des Vernehmlassungsverfahrens beantragte der Bundesrat im Jahre 2010 dem Parlament eine Regelung, bei welcher mit dem Wegfall des steuerbaren Eigenmietwerts der Abzug für Unterhaltskosten vollständig entfallen sollte mit Ausnahme der Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen, sofern sie hohen energetischen und ökologischen Anforderungen genügten.5 Schuldzinsen sollten im Umfang von 80 Prozent der steuerbaren Vermögenserträge abziehbar bleiben. Zudem sollten Ersterwerber von Wohneigentum die Möglichkeit erhalten, während 10 Jahren einen Teil der Schuldzinsen zum Abzug zu bringen. Nach längerem Hin und Her hat sich der Ständerat im Dezember 2011 dem Nationalrat angeschlossen und ist auf die Vorlage zur vollständigen Abschaffung des Eigenmietwertes nicht eingetreten.6

Title
3. Ungeliebter Eigenmietwert
Level
2
Text

Ein Blick über die Landesgrenzen zeigt, dass die Schweiz mit ihrem System der Eigenmietwertbesteuerung keineswegs isoliert dasteht. Fünf westeuropäische Länder sehen eine identische oder ähnliche Lösung vor wie die Schweiz (Belgien, Dänemark, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen und Spanien).7 Andere Staaten wie Deutschland und Frankreich verzichten auf eine Besteuerung. Das heutige schweizerische System der Eigenmietwert­besteuerung ist zwar verfassungskonform, hat jedoch zahlreiche Mängel, namentlich ist der Vollzug aufwendig. Viele Schweizer befürworten zwar eine Abschaffung des Eigenmietwertes, alle Vorschläge scheiterten jedoch bisher an der Regelung der «Nebenfolgen», namentlich dem Schuldzinsen- und Unterhaltsabzug sowie der Besteuerung der Zweitwohnungen. Das Finden einer mehrheitsfähigen und verfassungskonformen Lösung wird dadurch erschwert, dass mit der Wohneigentumsbesteuerung zahlreiche konträre Interessenlagen verbunden sind. Vom heutigen System profitieren stark verschuldete Grundeigentümer wie auch Eigentümer mit gros­sem Unterhaltsbedarf.8 Entsprechend können sich die Banken und die Bauwirtschaft nicht mit einer Aufhebung der Abzüge anfreunden. Auf der anderen Seite können schuldenfreie Eigentümer mit tiefem Einkommen von den Abzügen nicht profitieren. Während die Kantone sich gegen Steuerausfälle wenden, möchten Mieter keine steuerliche Bevorzugung der Grundeigentümer. In diesem Dilemma versucht die HEV-Initiative «Sicheres Wohnen im Alter» mit der teilweisen Abschaffung des ­Eigenmietwertes einer einzelnen Gruppe von Steuerpflichtigen entgegenzukommen, ohne die anderen zu brüskieren. Im Parlament fand die Initiative nur die Unterstützung des National­rates. Das Volk wird frühestens im Herbst 2012 darüber abstimmen können.

Title
4. Wohneigentumsförderung via Bausparen
Level
2
Text

Bis heute wird der Verfassungsauftrag zur Wohneigentumsförderung durch steuerlich ­begünstigte Vorbezugsmöglichkeiten aus der 2. Säule und der Säule 3a erfüllt. Die im internationalen Vergleich tiefe Eigentumsquote von 39,1 Prozent9 und der verbreitete Traum von den eigenen vier Wänden hielt den Gedanken der zusätzlichen Wohneigentumsförderung weiterhin wach. Der Umstand, dass eine verstärkte Förderung bisher in mehreren Volksabstimmungen verworfen wurde (1999 Volksinitiative «Wohneigentum für alle»; 2004 Steuerpaket; März 2012 Bausparinitiative), zeigt, dass es schwierig ist, Mehrheiten zu finden.

Auch die neueste Volksinitiative «Eigene vier Wände dank Bausparen», welche am 17. Juni 2012 zur Abstimmung gelangt, wird es nicht einfach haben. Das Bausparmodell des HEV Schweiz sieht vor, dass die Bauspargelder und die aufgelaufenen Zinsen während maximal zehn Jahren von der Einkommens- und Vermögens­steuer befreit werden. Jede in der Schweiz steuerpflichtige Person soll während dieser Dauer für den erstmaligen Erwerb von Wohn­eigentum bis zu 10 000 Franken jährlich vom steuerbaren Einkommen abziehen können (gemeinsam steuerpflichtige Ehegatten maximal 20 000 Franken). Das Parlament hat keine Abstimmungsempfehlung beschlossen. Der Bundesrat lehnt die Initiative ab.10 Seiner Ansicht nach wird dem Verfassungsauftrag zur Wohneigentumsförderung bereits heute gebührend Rechnung getragen. Die Initiative benachteilige Personen mit tiefen und mittleren Einkommen, die wenig oder gar nicht von diesem zusätz­lichen steuerlichen Privileg profitieren könnten. Befürchtet werden zudem erhebliche Mitnahme­effekte. Gemäss neuesten Äusserungen11 er­klären sich die Initianten zu einer Mindest­spardauer von drei Jahren bereit, was die Zahl der Trittbrettfahrer reduzieren würde.

Title
5. Abzüge für das Energiesparen
Level
2
Text

Seit 199212 sind Investitionen in bestehende Gebäude, die dem Energiesparen und dem Umweltschutz dienen, steuerlich abzugsfähig. Sie sind damit von Gesetzes wegen den Unterhaltskosten gleichgestellt, auch wenn sie wertvermehrenden Charakter haben. Mit dem nun vom Parlament abgelehnten Gegenvorschlag zur HEV-Initiative wollte der Bundesrat neben der vollständigen Abschaffung des Eigenmietwertes auch vorschreiben, dass Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen nur noch abziehbar sind, «wenn sie hohen energetischen und ökologischen Anforderungen genügen». Bei dieser reduzierten Abzugsmöglichkeit ging es ihm darum, gezieltere Anreize für Investitionen im Energiespar- und Umweltschutzbereich zu schaffen und weitere Mitnahmeeffekte zu verhindern.13 Damit bleibt es bei den ursprünglichen Abzugsmöglichkeiten.

Title
6. Fazit aus Sicht der Steuerberatung
Level
2
Text

Die Zeit sei noch nicht reif für eine Abschaffung des Eigenmietwertes, hatte ein Ständerat erklärt. Nachdem das Parlament nicht einmal in der Lage war, eine Vorlage zu verabschieden, ist in absehbarer Zeit nicht damit zu rechnen, dass sich daran etwas ändern wird. In der Schweiz sind nur Vorlagen mehrheitsfähig, die ausgewogen sind, was angesichts der sehr konträren Interessenlagen innerhalb und ausserhalb der Wohneigentümerschaft fast nicht realisierbar ist. Ein ähnliches Schicksal wie dem Eigenmietwert droht der zweiten Bausparinitiative. Bleibt noch die HEV-Initiative «Sicheres Wohnen im Alter». Angesichts der schwachen Unterstützung im Parlament ist deren Schicksal sehr ungewiss. Es ist daran zu erinnern, dass bereits heute in vielen Kantonen mit dem Unternutzungsabzug und der Gewährung eines Einschlages auf dem Eigenmietwert in Härtefällen ein Instrument zur Verfügung steht, welches auch die schuldenfreien Rentnerhaushalte steuerlich entlastet.

Mit den Beschlüssen des Parlamentes bleiben auch die Abzüge, die dem Energiesparen dienen, unangetastet. Im Nachgang zur Abschaffung der Dumont-Praxis per 1. Januar 2010 wurde sogar deren Umfang ausgeweitet, indem klammheimlich die Einschränkung aufgehoben wurde, wonach energiesparende Massnahmen in den ersten fünf Jahren nach Anschaffung der Liegenschaft nur zu 50 Prozent abziehbar sind.14 Diese Neuerung hat in der Praxis eine erhebliche Bedeutung, werden doch häufig ­Liegenschaften kurz nach dem Kauf renoviert. Der Liegenschaftenunterhalt bleibt damit dem privaten Grundeigentümer weiterhin als wichtiges steuerplanerisches Instrument erhalten.

Text
  1. Art. 7 Abs. 1 StHG.
  2. Botschaft und Beschlussentwurf vom 24. Mai 1995 über die Volksinitiative «Wohneigentum für alle» (BBl 1995 III, 803).
  3. Bericht der Kommission Eigenmietwert / Systemwechsel (KES) vom März 2000.
  4. Bundesgesetz über die Änderung von Erlassen im Bereich der Ehe- und Familienbesteuerung, der Wohn­eigentumsbesteuerung und der Stempelabgaben vom 20. Juni 2003.
  5. Botschaft zur Volksinitiative «Sicheres Wohnen im Alter» vom 23. Juni 2010 (BBl 2010 5303).
  6. Bundesbeschluss über die Volksinitiative «Sicheres Wohnen im Alter» vom 16. März 2012 (BBl 2012 3437).
  7. www.estv.admin.ch/dokumentation/ unter STEUER­INFORMATIONEN der Interkant. Kommission für Steuer­aufklärung S. 7.
  8. S. 6 des Berichts der Kommission Eigenmietwert / Systemwechsel.
  9. Studie Wüest & Partner, zitiert in Zürichseezeitung vom 18. April 2012.
  10. Botschaft zu den Volksinitiativen vom 18. September 2009 (BBl 2009 6975).
  11. NZZ vom 18.4.2012.
  12. Verordnung des Eidgenössischen Finanzdepartements über die Massnahmen zur rationellen Energieverwendung und zur Nutzung erneuerbarer Energien vom 24.8.1992 (SR 642.116.1).
  13. Botschaft zur Volksinitiative «Sicheres Wohnen im Alter», S. 5322.
  14. Durch Streichung von lit. a in Art. 1 Abs. 2 der Verordnung der ESTV über die abziehbaren Kosten von Liegenschaften des Privatvermögens bei der direkten Bundessteuer vom 24. August 1992 (Stand am 1. Januar 2010).
Tags
Date