Wenn ein Internetnutzer plötzlich durch Krankheit oder Unfall geschäftsunfähig wird oder stirbt, müssen Angehörige, Geschäftspartner und Erben wissen, wie sie mit dem Nachlass im Computer, den Webseiten, der E-Post usw. umzugehen haben. Im folgenden Beitrag fasst die Autorin die wichtigsten Punkte zusammen.
Beim Tod des Erblassers gehen die Forderungen, das Eigentum, die beschränkten dinglichen Rechte und der Besitz des Erblassers ohne Weiteres auf die Erben über, und die Schulden des Erblassers werden zu persönlichen Schulden der Erben (Art. 560 ZGB). Das gilt auch für den digitalen Nachlass. Der Computer samt Festplatte gehört den Erben. Sie müssen aus den E-Mails und anderen Konten des Erblassers ermitteln können, welche Verpflichtungen der Erblasser hatte.
Das kann schwierig werden, weil Internetdienstleister nicht so ohne Weiteres Daten herausgeben und Zugang zu den Konten ermöglichen werden. Auf jeden Fall sollten die Erben oder die geschäftlichen Stellvertreter dem Anbieter den Tod des Kunden melden, allenfalls auch durch Totenschein beweisen. Dann können sie versuchen, über Verhandlungen Zugriff auf die Daten zu erhalten.
Besteht eine Erbengemeinschaft muss man sich einstimmig über die Verwendung der Hinterlassenschaft einigen. Selbst wenn kein Streit zu erwarten ist, kann das einige Zeit beanspruchen.
Es ist Erwachsenen – egal welchen Alters – zu empfehlen, eine Vorsorgevollmacht zu erstellen, auch für den Fall, dass man handlungsunfähig wird. Bei Handlungsunfähigkeit oder Tod können wichtige Geschäfte im Gang sein, z. B. Versteigerungen, Bestellungen und E-Rechnungen auf dem E-Mail-Konto.
Gesetzlich haben Ehepartner oder eingetragene Partner, die mit einer Person, die urteilsunfähig wird, einen gemeinsamen Haushalt führen oder ihr regelmässig und persönlich Beistand leisten, ein Vertretungsrecht, wenn weder ein Vorsorgeauftrag noch eine entsprechende Beistandschaft besteht (Art. 374 ZGB). Dieses Vertretungsrecht umfasst die ordentliche Verwaltung des Einkommens und Vermögens und die Befugnis, die Post zu erledigen.
Eine handlungsfähige Person kann eine natürliche oder juristische Person beauftragen, im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit die Personensorge oder die Vermögenssorge zu übernehmen oder sie im Rechtsverkehr zu vertreten (Art. 360 ZGB). Die Aufgaben des Vertreters kann man genau festlegen und Weisungen für die Erfüllung der Aufgaben erteilen. Auch Ersatzpersonen und Kontrollbetreuer sind zu nennen. Der Vorsorgeauftrag ist eigenhändig zu errichten oder öffentlich zu beurkunden. Das Zivilstandsamt trägt auf Antrag den Vorsorgeauftrag und den Hinterlegungsort in eine zentrale Datenbank ein.
Die Auftrag gebende Person kann ihren Vorsorgeauftrag jederzeit in einer der Formen widerrufen, die für die Errichtung vorgeschrieben sind, oder die Urkunde vernichten (Art. 362 ZGB). Errichtet jemand einen neuen Vorsorgeauftrag, ohne einen früheren ausdrücklich aufzuheben, so tritt der neue Vorsorgeauftrag an die Stelle des früheren, sofern er nicht zweifellos nur eine Ergänzung darstellt.
Zu einer Vorsorgevollmacht gehört auch eine Verfügung, wie man mit den bestehenden digitalen Verbindungen verfahren soll, wie soziale Webseiten, Bestellungen, E-Bankkonten, E-Mail-Konten usw. Zu Lebzeiten ist es in vielen Fällen nötig, diese weiter zu betreuen, vor allem wenn sie geschäftlich wichtig sind. Es ist notwendig, dass die Vertrauenspersonen im Notfall über wichtige Abläufe informiert werden. Am besten stellt man eine Liste zusammen, die man immer wieder aktualisiert.
Für soziale Netzwerke muss der Erblasser anordnen, ob nach dem Tod Beiträge zu löschen sind und wenn ja welche und von wem. Nicht immer ist es möglich, allen Kontaktpersonen eine individuelle Todesanzeige zu schicken. In solchen Fällen kann man auch durch die sozialen Netzwerke über den Tod einer Person informieren.
Es gibt Unternehmen, die professionell die Bearbeitung von Internetkonten, sozialen Netzwerken und Festplatten für den Notfall oder nach dem Tod anbieten. Diese muss man sorgfältig auswählen. Am besten achtet man darauf, dass für den Vertrag europäisches Recht gilt. Das macht es einfacher, den Datenschutz durchzusetzen.
Manchmal wird sogar empfohlen, Passwörter in einer verschlüsselten Cloud zu platzieren. Computerfachleute raten sehr davon ab, denn man ist nie sicher, was mit Daten in einer Cloud passiert und wo sie physikalisch gelagert werden (EU/USA/Asien). So weiss man auch nicht, wer auf die Daten Zugriff bekommt, und mit Hackern ist immer zu rechnen. Auf keinen Fall gehören Passwörter oder vertrauliche Daten in eine Cloud! Bankpasswörter gibt man am besten auch nicht an die Beauftragten weiter. Wenn Zahlungen zu erledigen sind, gibt es dafür auch andere Möglichkeiten, als diese über das Internet zu erledigen.
Passwörter, allenfalls auch Listen über Konten, speichert man am besten auf einem USB-Stick und bewahrt diesen in einem versiegelten Umschlag an einem Ort auf, zu dem nur die Bevollmächtigten im Notfall Zutritt haben, z. B. in einem Wand- oder Banksafe. Für E-Post ist die einfachste Lösung, dass man einer Vertrauensperson für den Notfall Zugang zum Passwort ermöglicht, jedenfalls für die geschäftliche E-Post. Eine andere Möglichkeit ist eine Anweisung an die Internetdienstleister, bestimmten Personen den Zugang zu den Konten zu gewähren und Vertrauenspersonen zu bestimmen, die Auskunftsrecht haben.
Im schweizerischen Datenschutzgesetz gibt es keine Bestimmung über die Daten von Verstorbenen. Einen beschränkten Schutz enthält die Regelung in der Verordnung zum Datenschutzgesetz (VDSG): Wird Auskunft über Daten von verstorbenen Personen verlangt, so ist sie zu erteilen, wenn der Gesuchsteller ein Interesse an der Auskunft, z. B. mittels Erbschein, nachweist und keine überwiegenden Interessen von Angehörigen der verstorbenen Person oder von Dritten entgegenstehen. Nahe Verwandtschaft sowie Ehe mit der verstorbenen Person begründen ein Interesse. Dies gilt auch für private Datensammlungen.
Kantonale Datenschutzgesetze beziehen sich auf die Datenverarbeitung der kantonalen Behörden. In einigen gibt es Regelungen über Daten von Verstorbenen, z. B. im Informations- und Datenschutzgesetz (InfoDG) des Kantons Solothurn: Besonders schützenswerte Daten verstorbener Personen dürfen erst nach Ablauf einer Schutzfrist bekannt gegeben werden. Die Schutzfrist beträgt 30 Jahre seit dem Tod oder, wenn der Tod ungewiss ist, 110 Jahre seit der Geburt.
Die neue Datenschutzgrundverordnung der EU gilt nicht für die personenbezogenen Daten Verstorbener. Hingegen können die Mitgliedstaaten diesbezügliche Regelungen treffen.
In Deutschland gibt es im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) keine Regelung über den Datenschutz von Verstorbenen. Nach Meinung vieler Juristen gilt der Datenschutz im Prinzip nur für lebende Personen. Es gab hingegen einen Gerichtsfall, der auch für Schweizer Internetnutzer interessant ist.
Eine Mutter klagte beim Landgericht Berlin gegen Facebook und forderte Einsicht in das Konto ihrer verstorbenen minderjährigen Tochter (Urteil 20 O 172/15 vom 17.12.2015). Das Konto der Tochter war nach deren Tod aber in den sogenannten Gedenkzustand versetzt worden, sodass nur noch Facebook-Kontakte darauf zugreifen und Beiträge einfügen konnten. Facebook gab der Mutter aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht bekannt, wer die Aktivierung des Gedenkzustands veranlasst hatte. Unter Hinweis hierauf forderte die Mutter Facebook mehrfach erfolglos zum Entsperren des Benutzerkontos ihrer Tochter auf, was abgelehnt wurde.
Die Mutter klagte vor dem Berliner Landgericht. Dieses urteilte nach deutschem Recht. Bei einem Verbrauchervertrag wird das Recht des Staates angewendet, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn der Unternehmer seine Tätigkeit dort ausübt (§ 6 Abs. 1 ROM-I-VO). Facebook wurde dazu verurteilt, der Erbengemeinschaft Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten der Verstorbenen zu gewähren. Für Minderjährige haben die Erziehungsberechtigten das Persönlichkeitsrecht zu vertreten. Deshalb sind einige Juristen der Meinung, dieses Urteil wäre so nicht auf Erwachsene anwendbar, weil diese selber entscheiden müssten, wer nach ihrem Tod Zugriff zu ihrem Facebook-Konto hat.
Die in den Nutzungsbedingungen von Facebook getroffene Regelung, dass eine beliebige Person der Facebook-Freundesliste eine Versetzung des Profils in den Gedenkzustand veranlassen kann und eine Anmeldung des Kontos selbst mit gültigen Zugangsdaten für die Erben dann nicht mehr möglich ist, stellt nach Meinung des Berliner Landgerichts eine unangemessene Benachteiligung der Nutzer und ihrer Erben dar.
Die Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes sind auch in Bezug auf den digitalen Nachlass zu beachten. Ein Werk ist nach dem Tod eines Urhebers oder Miturhebers geschützt, und zwar bis 70 Jahre nach dem Tod des zuletzt verstorbenen (Mit-)Urhebers (Art. 29 URG). Für Computerprogramme dauert der Schutz nur 50 Jahre. Man kann also Werke, die auf einem Computer gespeichert sind, nicht einfach löschen.
Andererseits ist das Urheberrecht übertragbar und vererblich (Art. 16 URG). Die Übertragung eines im Urheberrecht enthaltenen Rechts schliesst die Übertragung anderer Teilrechte nur mit ein, wenn dies vereinbart ist bzw. im Todesfall vom Erblasser bestimmt wurde. Die Übertragung des Eigentums am Werkexemplar schliesst urheberrechtliche Verwendungsbefugnisse selbst dann nicht ein, wenn es sich um das Originalwerk handelt bzw. um die Computerdatei, auf der dieses enthalten ist. In Bezug auf hinterlassene Werke, die noch nicht publiziert sind, ist der Wille des Urhebers, soweit man ihn ermitteln kann, massgebend und zu respektieren.
Andererseits besteht der Erschöpfungsgrundsatz (Art. 12 URG). Hat ein Urheber ein Werkexemplar veräussert, so darf dieses weiter verbreitet werden. Das bedeutet für Erben, dass sie bereits publizierte Werke auch im Internet nicht einfach löschen oder den Nutzern verbieten können, diese ins Internet zu stellen. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn ein Urheber den Nutzern ausdrücklich untersagt hat, seine Werke im Internet zu publizieren.
Mit Dokumenten von Drittpersonen im Nachlass des Verstorbenen muss man diskret umgehen. Will man etwas ins Internet stellen, sollte man vorher die betroffene Person fragen. Anderenfalls könnte es passieren, dass man deren Persönlichkeitsrechte verletzt.
Den Urhebern ist sehr zu empfehlen, testamentarische Bestimmungen über ihren urheberrechtlich geschützten Nachlass zu treffen. Dabei ernennt man am besten geeignete Personen, allenfalls auch Organisationen, als Nachlassverwalter, wobei man ihnen gerechterweise für ihre Arbeit ein Honorar oder einen Anteil an der Erbschaft zuwenden sollte. Dabei kann man regeln, welche Werke zu publizieren sind und was allenfalls auf dem Computer zu löschen ist. Man kann dem Nachlassverwalter auch die Verwaltung der sozialen Webseiten überlassen, sodass er diese allenfalls im Sinn des Verstorbenen weiterführen kann.